Fruchtbarkeit und der monatliche Zyklus
Der postmenopausale Lebensabschnitt ist eine Errungenschaft der soziobiologischen Evolution. Außer dem Homo sapiens gibt es unter den Säugetieren keine andere Spezies, bei der die postgenerative Phase ein Drittel der gesamten Lebenszeit ausmacht. Allerdings hat sich auch die mittlere Lebenserwartung der Frau erst in den letzten Jahrhunderten über die Altersgrenze, die das Klimakterium setzt, hinausgeschoben.
1850 lag die durchschnittliche Lebenserwartung bei 38 Jahren und ist nach nur 150 Jahren auf das Doppelte angestiegen. Diese in der Entwicklung des Homo sapiens zweifellos neue Situation rechtfertigt die Beseitigung von Mangelerscheinungen, welche erst durch die eben erwähnte höhere Lebenserwartung entstanden sind und der Natur vorher unbekannt waren. Zusätzlich zu den evolutionären Überlegungen gibt es rein pragmatische Gründe, die die Anwendung einer Substitutionstherapie rechtfertigen: Die Substitutionstherapie induziert eine deutliche Steigerung des Wohlbefindens und der Lebensqualität und kann darüber hinaus viele endokrine und metabolische Störungen heilen. Gleichzeitig stellt sie eine Prophylaxe für zahlreiche Erkrankungen dar. Dieser nicht zu unterschätzende Tatbestand sollte in den grundsätzlichen Diskussionen berücksichtigt werden.
Auch dies ist eine junge Erkenntnis unseres Fachs: Die Sexualsteroide dienen nicht nur der Fortpflanzung, sondern tragen wesentlich zur verbesserten Gesundheit und Befindlichkeit bei. Die Geschlechtshormone sind biologische Multifunktionäre.
Lebenslange Therapie für alle Frauen?
Die Vorstellung, dass das Erlöschen der Ovarialfunktion im Klimakterium mit einer Einschränkung der endokrinen Leistung einhergeht und daher in Analogie zu anderen klassischen Drüsenunterfunktionen als Endokrinopathie gedeutet werden kann, hat die Frage nach einer lebenslangen Substitution aller Frauen aufgeworfen, die zur Zeit kontrovers diskutiert wird. Dieser Frage kann man sich von folgendem Standpunkt einfach nähern: Eine Hormonsubstitution soll dann vorgenommen werden, wenn hierdurch entweder Beschwerden beseitigt oder gesundheitliche Risiken minimiert werden können.
Wenn eine Patientin beschwerdefrei ist und weder ein osteoporotisches noch ein kardiovaskuläres Risiko aufweist, ist eine Hormontherapie nach dem derzeitigen Wissensstand nicht zwingend notwendig. Es soll keine Zwangsbeglückung mit Hormonen vorgenommen werden.
Drei Gründe sprechen für diese Überlegung:
Bei einigen Frauen ist der postmenopausale Gesamtorganismus in der Lage, Sexualsteroide - selbst nach Ausfall der ovariellen Östrogenproduktion - weiter zur Verfügung zu stellen.
Postmenopausal bildet das Ovar C19-Steroide, die Androgene, die ebenso wie die Androgene der Nebenniere in der Peripherie, insbesondere im Fettgewebe der Frau in Östrogene konvertiert werden können. Der Östrogenbedarf dieser Frauen wird damit gedeckt.
Die Wirkung der Hormonzufuhr hängt von der Hormonrezeptordichte ab, die sich in unterschiedlichem Maße verringert. Der menschliche Körper hat im Rahmen der Evolution ein hochintelligentes Sicherheitssystem installiert, das unserem Bewußtsein biologische Systemausfälle mit gesundheitsschädigenden Wirkungen meldet. Bei Wohlbefinden risikofreier Patientinnen kann unter diesem Aspekt auf eine Therapie verzichtet werden.
Für eine großzügige Indikationsstellung spricht hingegen, daß fast jede Frau aus dem einen oder anderen Grund von einer Hormonsubstitution profitiert. Keiner Frau sollten daher die Segnungen einer Substitutionstherapie von ärztlicher Seite beim Fehlen von Kontraindikationen vorenthalten werden. Zukünftige gesundheitliche Risiken, die aus dem klimakteriellen Steroidhormonmangel erwachsen können, lassen sich im individuellen Fall nicht immer zweifelsfrei einschätzen. Zudem zeichnen sich neue Bereiche ab - wie z.B. die Stützung kognitiver Hirnfunktionen, die einen präventiven Ausgleich des Hormonmangels sinnvoll erscheinen lassen, für die aber eindeutige Risikokriterien noch weitgehend fehlen.
Die Antwort auf die Frage, welche Patientinnen therapiert werden sollen, lautet daher: Jene Frauen, die Beschwerden haben bzw. solche, die gesundheitsgefährdende Risiken aufweisen, die unter einem Hormonentzug akzelerieren. Dementsprechend kann man sowohl von einer therapeutischen als auch einer prophylaktischen Substitutionstherapie sprechen.
Hormongabe - Therapie oder Prophylaxe?
Die grundsätzliche Frage, ob allen Frauen in der Postmenopause eine Substitutionstherapie empfohlen werden soll oder nur jenen, die Beschwerden haben, teilt die Indikation bereits in eine prophylaktische und in eine therapeutische.
Leidet eine Patientin an den typischen, durch ein Östrogendefizit hervorgerufenen klimakterischen Symptomen, ist eine therapeutische Substitutionsbehandlung zweifellos angezeigt. Sinnvoll ist eine prophylaktische Hormongabe, wenn das zu frühe Erlöschen der ovariellen Funktion und das Auftreten anderer Risikofaktoren schwere unphysiologische Alterationen, allen voran die Osteoporose, wahrscheinlich macht.
Tritt die Menopause vor dem 40. Lebensjahr ein und weisen die klimakterischen Patientinnen ein empirisch gesichertes Östrogenmangel-Risiko auf, ist eine Hormonbehandlung selbst bei einem noch asymptomatischen Zustandsbild anzuraten. In jedem Fall sollte die Patientin über die Risiken des mit dem Klimakterium beginnenden chronischen Östrogenmangels aufgeklärt werden, um ihr eine eigenverantwortliche Entscheidung über eine prophylaktische Behandlung zu ermöglichen.
Zweifellos lassen sich therapeutische oder prophylaktische Überlegungen nicht immer scharf trennen. Wichtig ist jedoch zu wissen, dass Östrogenmangel potentiell ein Risikofaktor ist. Der wichtigste empirisch gewonnene Risikofaktor, der eine Behandlung erfordert, ist das Climacterium praecox. Je früher die Steroide ausfallen, desto stärker scheinen die Mangelerscheinungen ins Gewicht zu fallen. Der Gynäkologe muß besonders sensibel bei postmenopausalen Patientinnen sein, die keine Hormone einnehmen, stark rauchen, über einen grazilen Körperbau verfügen und sich möglicherweise nur gering körperlich betätigen. Zur Abschätzung des osteoporotischen Risikos ist in einem solchen Fall eine Knochendichtemessung zu empfehlen.
Weiterführende Informationen erhalten Sie von Ihrem Frauenarzt.